schöne Grüße aus Neubrandenburg. Zusammen mit 9 jungen Musiker:innen aus Rumänien, Litauen, Ägypten, Österreich, Luxemburg und Deutschland, allesamt an der Schwelle zwischen gewonnenen Wettbewerben und professioneller Laufbahn, erarbeite ich ein für das Publikum sehr nahbares Konzert, das wir am
Samstag 31.7.2021 um 11:30
auf dem Detect Classic Festival in Neubrandenburg
auf dem Gelände des Flughafens Trollenhagen spielen werden. Die Idee des Musikfestivals ist so sympathisch wie grandios:
“An einem Wochenende im Sommer landen wir mitten im Sound eines Sinfonieorchesters, genießen Livemusik und heben bei Nacht im Licht und Nebel elektronischer Musik ab. Wir erforschen Klassik und Ambient, Elektronisches und Zeitgenössisches, Avantgarde, Beats, Rhythmus, Raumakustik und verwischen Grenzen zwischen Club und Konzerthaus.”
EMCY
Die Initiative für unser Konzertprojekt, mit dem wir auf dem Festival zu Gast sein werden, stammt von der European Union of Music Competitions for Youth EMCY. Die trägt bereits seit über 50 Jahren europaweit nicht nur Wettbewerbe aus, sondern vernetzt deren junge Absolventen miteinander und ermöglicht ihnen in besonderen Projekten neue Perspektiven auf das Musizieren und Auftreten.
Für mich bedeutet dieses Projekt mein Debut als Konzertdesigner, wobei ich von Anfang an einen kollaborativen Ansatz gewählt habe. In mehreren Online Calls seit April haben wir verschiedene Techniken aus dem Design Thinking dazu genutzt, gemeinsam nicht nur ein Konzertprogramm sondern auch eine Inszenierungsweise zu entwickeln, in dem jeder Einzelne seinen eigenen Beitrag – und damit sich selbst – wiederfinden kann.
Flughafen Trollenhagen
Wir nutzen die Lounge auf dem Festivalgelände, ein offenes Tipi ausgestattet mit Hängematten und Couches, um eine Atmosphäre des entspannten Entdeckens und Lauschens zu ermöglichen. Es gibt keine zentrale Bühne, sondern die Musiker:innen in variablen Besetzungen werden an immer neuen Orten innerhalb und außerhalb des Publikums auftauchen.
Titelgebend für das Konzert ist unser Hauptwerk “Pulau Dewata” von Claude Vivier, auf deutsch “Die Insel der Götter”. Inspiriert von balinesischer Gamelanmusik ist das Stück ohne vorbestimmte Orchestrierung komponiert. Ich widerstehe meinem Impuls, ein Arrangement zu erstellen und vertraue auch hier dem Kollektiv: in den nächsten Tagen werden wir die Orchestrierung gemeinsam entwickeln.
Real-World Music
Neben Vivier spielen wir “Reflektiert” von Manuela Kerer, ein Stück, dass direkt klanglich auf das Publikum reagiert und dadurch die Zuhörer:innen in das musikalische Geschehen aktiv mit hineinnimmt. Ich nutze die Gunst der Stunde und betreibe jeden Morgen vor der Probe mit der Gruppe “Ear Cleaning”, mit Hörübungen von R. Murray Schafer.
Der Bogen des Konzerts spannt sich von Violinduetten von Luciano Berio über die bulgarische Racheniza bis hin zu Musical; immer überraschend, berührend, inspirierend.
Die Seele berühren hat Zukunft!
Eine meiner prägnantesten Erinnerungen aus jungen Jahren ist dieser Satz aus einem Gespräch mit einem russischen Physiker abends bei einem Bier zu viel. So blöd dessen Satz genaugenommen ist, so oft kommt er mir allerdings immer wieder in den Sinn. Vor allem an solchen Tagen wie heute, an denen ich begeisterte junge Musiker:innen live(!) spielen höre und ich Gänsehaut dabei bekomme.
Ist schon wieder lange her, dass ich das erlebt habe.
Wir alle schauen bereits jetzt mit Sorge auf den bevorstehenden Herbst und damit auf eine weitere Zukunft, in der keine Seelen berührt werden. Ich möchte mich deshalb dem Appell des Münchner Kammerorchesters anschließen:
“Wir alle können gemeinsam dazu beitragen, dass der Konzertbetrieb möglichst ohne Einschränkungen stattfinden kann. Appelle an die Politik allein werden nicht reichen. Wenn sich möglichst viele von uns impfen lassen, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass das Pandemie-Geschehen beherrschbar wird – und zugleich die Chance auf die erfüllten und bereichernden Konzerte, die wir uns alle wünschen.”
Und mein nächster Newsletter wird auch wieder kürzer, versprochen.
Herzliche Grüße,
Mathis Nitschke
P.S.: Sehen und hören Sie hier Maxim Tzekov und Arthur Possig bei der ersten Anspielprobe für die Racheniza: https://vimeo.com/579183629/c927b831cf