Berechtigte Kritik an den Regenten mischt sich mit gefährlicher Verharmlosung des Virus, Existenzangst lässt sich nicht mehr vor der Angst vor der gesundheitlichen Gefahr trennen, hochinteressante ethische Fragen spitzen sich radikal zu und werden unter einer Welle von Meinungen und Behauptungen begraben.
Mir hat aus dieser schweren Verwirrung – mal wieder – ein gutes Buch geholfen. Ich nahm die Krise zum Anlass, eines der mir wichtigsten Bücher, „Der moderne Tod“ von Carl-Henning Wijkmark, unter dem Licht der Coronapandemie neu zu lesen.
Die Fiktion ist radikal real: Ende der 1970er Jahre lädt die schwedische Regierung zu einem geheimen Symposium ein über das Thema „Der letzte Lebensabschnitt des Menschen“. Dabei geht es in Wahrheit darum, wie man sich der überalteten Gesellschaft entledigen kann, die man sich nicht mehr leisten kann oder leisten will. Diskutiert wird ganz praktisch die Frage, wie man die unproduktiven Alten und andere überflüssige Menschen auf möglichst humane Weise umbringen kann.
Zu Wort kommen in der literarischen Versuchsanordnung neben dem einladenden Ministerialdirektor Bert Persson ein Medizinethiker, ein Schriftsteller und Geisteshistoriker sowie – fast schon ironisch kurz – ein Theologe. Bis auf den Schriftsteller sind sich alle Experten darüber einig, dass man die Bevölkerung vor allem davon überzeugen muss, wie schädlich sich das egoistische Festhalten am eigenen Leben auswirkt, und wie sehr es die ökonomische Zukunft des Landes gefährdet.
Zuerst erschienen 1978, wurde das Buch erst 2001 ins Deutsche übersetzt, beide Male ohne weiteres großes Echo. Wijkmark war ganz offensichtlich der Zeit um einige Jahrzehnte voraus, und was er zu sagen hatte, ist noch heute unangenehm.
Die Lektüre hat mir Frieden mit der Freiheitsbeschränkung verschafft. Lesen Sie in meiner persönlich gefärbten Buchbesprechung, warum: Über Leben