Claus Guth erweiterte die “Schwanengesang” Lieder von Franz Schubert zum großen Musiktheaterstück „Doppelgänger“ in der Park Avenue Armory in New York City, mit Tenor Jonas Kaufmann und Pianist Helmut Deutsch als Protagonisten. Ich durfte Musiken und Soundscapes beisteuern, die den harmonischen Faden eines Liedes aufgreifen und in den des nächsten überführen. So entstand aus einer losen Folge von kurzen Liedern ein großer langer musikalischer Bogen.

Fotos: Monika Rittershaus

Franz Schuberts “Schwanengesang” ist eine Sammlung von Liedern, die 1828 – im Todesjahr des Komponisten – entstanden. Ausgangspunkt unserer Erzählung ist ein Militärhospital, in dem Männer zwischen Leben und Tod stehen, wie gefangen in einer Zeitschleife. Jonas Kaufmann, einer der Männer, erlebt während dieser stillstehenden Zeit eine emotionale Reise durch Momente des Glücks und der Enttäuschung. Anfangs findet er Trost in Erinnerungen an seine Geliebte und die Natur, doch in der zweiten Hälfte des Abends versinkt er immer mehr im Schmerz und Verlust, ausgedrückt in Liedern wie das vom „unglücksel’gen Atlas“. Er begegnet sich kurz vor seinem Tod selbst, in einem letzten Moment von Schock und Erkenntnis.

Als Material für meine Soundscapes verwendete ich fast ausschließlich Klavierklänge: Fragmente aus Schuberts Musik, die ich hundertfach verlangsamte, um daraus schwebende tonale Flächen zu generieren, kurze Klangschnipsel, die per Granularsynthese zu eindringlichen Drones werden, Prepared-Piano-Samples, die in diesem Kontext wie Bombeneinschläge klingen, oder konkrete Geräusche wie Beatmungsmaschinen, die ich mit dem Flügel mit gedrücktem Haltepedal verhallt und damit „verklavierisiert“ habe. „Als ob man in den Flügel von Helmut Deutsch hineinkriechen würde und eine Reise macht,“ erzähle ich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Immer inszenieren die Interludien Helmut Deutsch am Klavier in den Vordergrund: mit virtuosen Verfremdungen der Schubert’schen Klavierbegleitungen als solistische Einlagen, durch Inside-Piano-Spiel und einzelne Töne, die zugespielte Klangflächen starten oder beenden, und mit dialoghaften Frage/Antwort-Spielen mit fernen Klängen aus den Surround-Lautsprechern behält er stets die Federführung und wird so nicht nur optisch zum Zentrum des Abends.

“Mathis Nitschkes eindringliche Klanglandschaften suggerieren sowohl das Krankenzimmer als auch das Schlachtfeld. Tänzer, die Krankenschwestern und Soldaten darstellen, tragen zu Nitschkes Klangwelt bei, indem sie in Triolenrhythmen auf ihre Krankenhausbetten schlagen, während Deutsch Fragmente von Schuberts Liedern in einer obsessiven, halluzinatorischen Schleife wiederholt. Dieser höchst interessante Teil von Guths Vision erlaubt es ihm, die Stille zwischen den Liedern zu gestalten und das Publikum in einem Zustand gesteigerter Erwartung zu halten – eine erfrischende Abwechslung zum üblichen Husten und Rascheln von Programmen in einem Standard-Liederabend.” (Financial Times)

“Dient das theatralische Konzept den Liedern Schuberts? In den Händen von Kaufmann und Deutsch, die seit langem zusammenarbeiten, ja – und es lässt die Musik des Meisters in einem frischen, intelligenten Rahmen neu aufleben, ohne die Kunstfertigkeit des Duos als klassische Interpreten zu opfern.” (New York Times)

“ein seltenes Erlebnis … das Publikum wird von der Kraft der einfallsreichen Dramaturgie so im Innersten gepackt, dass es vor Schreck hörbar den Atem anhält. Wann haben Sie zum letzten Mal so etwas in einem klassischen Konzertsaal gehört?” (New York Times)

„Doppelgänger ist tolles experimentelles Theater im großen Stil … So etwas gibt es in New York zur Zeit wirklich nicht.“ (TheaterMania)

„Doppelgänger“ ist das Ergebnis einer wunderbar konstruktiven Gemeinschaftsleistung von:
Tenor Jonas Kaufmann
Pianist Helmut Deutsch
Regie Claus Guth
Musik- und Klangkompositionen Mathis Nitschke
Bühnenbild Michael Levine
Kostüme Constance Hoffman
Lichtdesign Urs Schönebaum
Sounddesign Mark Grey
Videodesign rocafilm
Choreografie Sommer Ulrickson
Dramaturgie Yvonne Gebauer
Regieassistenz Juana Inés Cano Restrepo, Dylan Evans
Zweitbesetzung Tenor Ilker Arcayürek
Probenpianist Michał Biel

Verwandte Arbeiten:

Als regieführender Komponist (oder komponierender Regisseur) produziere ich eigene Musiktheaterprojekte, wie z.B. MAYA (2017) oder VIOLA (2015).

Zusammen mit Regisseur und Lichtdesigner Urs Schönbaum habe ich als Komponist die „großen“ Opern JETZT (2012) und HAPPY HAPPY (2014) an der Nationaloper Montpellier zur Uraufführung gebracht.

Ich experimentiere mit neuen Technologien an neuen Musikerlebnisformaten, wie z.B. mit der App „Die Planeten“, eine Zusammenarbeit mit den Münchner Philharmonikern.