(Foto: Isarblog.de)
VERGEHEN ist eine Oper, die man sich erläuft. Um sie zu erleben, lädt man sich eine App (Android oder iOS). Durch den GPS-Empfänger weiß Ihr Smartphone, wo in der Welt Sie sich gerade befinden. Als App nutzt „Vergehen“ diese Informationen, um ortsspezifische Musik abzuspielen. Mehr zum Projekt hier: >>>
VERGEHEN findet an der Isar statt. Wieso gerade an diesem Ort?
Die Isar und insbesondere dieser Spazierweg am Auer Mühlbach und über den Kabelsteg haben mein ganzes Leben begleitet und geprägt. So wie das Wasser unaufhörlich die Isar hinunterfließt – mal wenig, mal viel – geht das Leben halt so seinen Gang. Momente verbinden sich mit der Isar, jeder erneute Spaziergang bringt Vergangenes in Erinnerung. Diesen Prozess wollte ich auf poetische Weise erfahrbar machen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
2012 und 2014 hat mich die Nationaloper Montpellier eingeladen, dort zwei große Opern uraufzuführen. Das waren überwältigende und großartige Erfahrungen. Aus diesen Erfahrungen wuchs das Bedürfnis, das Opernerlebnis auch außerhalb des Opernhauses erfahrbar zu machen. Es entstand dann im Juli 2015 die Kurzoper VIOLA am Bahnhofplatz Pasing, die im September 2016 an der Münchner Freiheit mit KATHARINA eine Fortsetzung fand. Einen dritten Teil soll es im Juni 2017 an der Kunsthalle München geben, für den aber derzeit noch die Finanzierung fehlt. Was mich an diesen Arbeiten besonders interessiert, ist, den öffentlichen Raum mittels des musikalischen Eingriffs in einen künstlerischen Raum zu verwandeln.
Eine Oper als App fürs Smartphone zu konzipieren geht noch einen Schritt weiter. Neben der räumlichen Loslösung vom Opernhaus löse ich mich zeitlich von einem Spielplan. Die Oper als App ist jederzeit und hoffentlich für lange Zeit in der Zukunft verfügbar. Trotzdem baue ich hier eine künstliche Verknappung ein: man muß sich die Oper selbst erlaufen. So, wie man sich zunächst zum Opernhaus bewegen muß, um von der Musik bewegt werden zu können, muß man sich hier erstmal selbst in Bewegung bringen. Ich glaube schon, daß Spiele wie Pokemon Go daraus auch ihren Spielspaß ziehen. Wenn man nur im Sofa rumlümmelt, erlebt man halt nichts.
Das erklärte Ziel der App ist es, dem Zuhörer dabei zu helfen, bewusste Erinnerungen einzupflanzen. Haben Sie schon Rückmeldung erhalten, wie sich dieses Wahrnehmungsexperiment konkret auf einzelne Zuhörer auswirkt?
Nun, das ist nicht unbedingt das Ziel der App, sondern das utopische Ziel der Kommunikationsindustrie. Die fiktive Vorlage für das Libretto von VERGEHEN stammt aus dem Film ‚Projekt Brainstorm‘, den ich als Kind gleich mehrmals verschlungen habe. Auch der Münchner Schriftsteller Benjamin Stein greift in seinem Roman ‚Replay‘ die Idee eines Gedankenrekorders auf, also eine Maschine, die es erlaubt, das subjektive Erleben so zu speichern, daß man es direkt ins Bewußtsein so zurückspielen kann, daß sich die Wiederholung der Erfahrung von der ursprünglichen Erfahrung nicht mehr unterscheidet. Das ist die große Utopie, denn bisher müssen wir unsere Erfahrungen und Erlebnisse ja mühsam in Sprache, Kunst und Musik übersetzen, um sie kommunizierbar zu machen. Das wäre mit so einer Maschine nicht mehr nötig. Ob man das wirklich will, ist eine der Fragen, die VERGEHEN stellt.
Wie ist der Text entstanden? Was hat Sie zu diesem Projekt bewegt? Ein Gespräch mit Martin Bürkl:
Danke an Martin Bürkl vom Bayerischen Rundfunk für das Interview!